NMR-Methodenentwicklung
Messtechnik, Pulssequenzen, Programmieren

In unserem Arbeitskreis findet die NMR-Spektroskopie eine vielfältige Anwendung. Ein großer Teil unserer Forschung beschäftigt sich mit der Aufklärung der (dreidimensionalen) Struktur komplexe organische Verbindungen beschäftigt (Konstitution, Konfiguration und Konformation). Dies schließt mechanistische Fragestellungen explizit ein, sodass es an der Tagesordnung ist kinetische und dynamische Prozesse mittels NMR zu verfolgen und zu untersuchen. Zu diesem Zweck ist die Entwicklung neuer Mess- und Auswertemethoden sowie die Anwendung kombinierter Methoden besonders interessant. Aus den NMR-Spektren bestimmen wir komplementäre NMR-Parameter wie die Kern-Overhauser-Verstärkung (NOE), skalare Kopplungen (J-Kopplungen) und residuale dipolare Kopplungen (RDCs), um daraus ein vollständiges Bild über eine (komplexe) Struktur zu erhalten. Eine steigende Komplexität der Fragestellung erfordert dabei eine Weiterentwicklung der Methoden, um Limitierungen durch Flexibilität, Dynamik und komplexere Stereochemie zu überwinden und schließlich eindeutige Lösungen zu erhalten. Hierzu wenden wir verschiedene Ansätze an.

Konventionelle Flüssigkeits-NMR-Messungen finden in isotropen, gelösten Proben statt, wodurch NMR-Wechselwirkungen wie chemische Verschiebung, skalare Kopplungen und der NOE beobachtet werden können. Die chemische Verschiebung beschreibt dabei unmittelbar die chemische Umgebung der beobachteten Atomkerne. Die skalaren Kopplungen hängen mit dem eingeschlossenen Diederwinkel der koppelnden Atomkerne zusammen und werden klassischerweise aus der Linienaufspaltung eines Signals extrahiert. In komplizierten Fällen überlagernder Multiplets kommen auch mehrdimensionale Methoden wie das (TSE)-PSYCHEDELIC Experiment zum Einsatz. Komplementär dazu werden Distanzinformationen der wechselwirkenden Atomkerne anhand aufwändiger quantitativer NOE oder ROE (rotating-frame NOE) Experimente erhalten. Moderne EASY ROESY-Experimente liefern heutzutage eine Möglichkeit mit relativ geringem experimentellem Aufwand störungsarme, quantitativ interpretierbare Spektren aufzunehmen. Speziell bei überlappenden Signalen können sogenannte pure shift Spektren sehr hilfreich sein. Dies gilt nicht nur bei der Messung von NMR Observablen in isotropen Lösungen, sondern auch bei der Messung von dipolaren Restkopplungen (RDCs).

Anisotrope NMR Parameter wie residuale chemische Verschiebungsanisotropie (RCSAs), residuale Quadrupolkopplungen (RQCs) und residuale dipolare Kopplungen (RDCs) liefern zu den klassischen isotropen NMR Observablen komplementäre Strukturinformationen, jedoch werden sie nur in anisotroper Umgebung beobachtbar. Daher wird für die experimentelle Bestimmung von RDCs ein zu untersuchender Analyt mit Hilfe einer flüssigkristallinen Phase oder allgemein eines Orientierungsmediums im Magnetfeld ausgerichtet und die beobachteten Linienaufspaltungen mit denen aus isotropen Referenzexperimenten verglichen. Zu diesem Zweck entwickeln wir neue polymere Orientierungsmedien und optimieren Methoden zur Messung als auch Auswertung von RDCs. Die Interpretation der RDCs zur Strukturbestimmung, erfolgt meist computergestützt. Durch eine mathematische Fit-Prozedur können Strukturmodelle in einer von uns entwickelten Auswertesoftware (RDC@hotFCHT) mit den experimentellen RDC Daten korreliert werden, die relative Anordnung von Molekülfragmenten zueinander bestimmt werden oder das Konformationsgleichgewicht flexibler Verbindungen untersucht werden.

Nicht in allen Fällen ist es einfach möglich explizite Strukturmodelle für eine RDC-Auswertung heranzuziehen. Ein brandneuer modell-freier Ansatz (TITANIA) ermittelt direkt strukturelle und dynamische Parameter aus RDC Daten in mehreren Orientierungsmedien ohne vorherige explizite Definition eines Strukturmodells. Dies erfordert jedoch die Sammlung umfangreicher RDC-Datensätze in möglichst verschiedenen Orientierungsmedien, bestenfalls inklusive langreichweitiger RDCs über mehrere Bindungen

Außerdem entwickeln wir Konzepte für kombinierte Methoden wie in situ Belichtungs-NMR Spektroskopie , der gekoppelten Beobachtung von NMR und UV-Vis Spektren im gleichen Messaufbau und Reaktionsverfolgung mittels Rapid Injection. Diese werden genutzt, um sowohl übergangsmetallkatalysierte Reaktionen mit ihren gebildeten Intermediaten sowie photochemische Prozesse zu verfolgen. Um kinetische Größen zu ermitteln, eignet sich besonders die NMR-Spektroskopie als eine zerstörungsfreie und quantitative Methode, die Reaktionen auf einer Minuten- und Stundenskala erfassen kann.