Ausgezeichnete Polymerforschung: Kunststoffe nachhaltiger herstellen

Dr. Kristina Zentel im Porträt

24.11.2023 von

Die Chemikerin Dr. Kristina Zentel entwirft energieeffiziente Prozesse der Kunststoffherstellung, die in Wasser ablaufen. Dafür erhält sie den Dr. Hans Messer Stiftungspreis 2023.

Dr. Kristina Zentel

„Grün“ und „Chemie“ klingt für viele immer noch wie ein Gegensatzpaar. Kristina Zentel (32), Habilitandin am Ernst-Berl-Institut für Technische und Makromolekulare Chemie der TU Darmstadt, will das ändern. Sie entwirft nachhaltige Prozesse der Kunststoffherstellung, die bei Temperaturen von 20 bis 100 Grad Celsius in Wasser als grünem Lösungsmittel und unter insgesamt milderen Bedingungen ablaufen als etablierte Verfahren.

Nach dem Abitur 2010 in Mainz begann Zentel noch im selben Jahr mit dem Chemiestudium an der TU Darmstadt, das sie nach nur neun Semestern abschloss. Schon im Masterstudium begeisterte sie sich für Polymere, so der Fachausdruck für Kunststoffe, und deren Bildung. Ihr aktueller Fokus liegt auf einer Technik namens Emulsionspolymerisation. Das Verfahren gilt als nachhaltig, eignet sich aber bislang nur für bestimmte Kunststoffe. Zentel erweitert das Spektrum, indem sie ungewöhnliche Ausgangssubstanzen einsetzt. So will sie Alternativen zu industriellen Verfahren schaffen, die bislang Temperaturen um 300 Grad Celsius und Drücke bis 3000 erfordern. „Die Chemieindustrie ist energieintensiv, da ist noch Luft für Optimierung“, sagt sie.

Experimente und Computersimulationen

Ihre Doktorarbeit fertigte Zentel in der Arbeitsgruppe von TU-Professor Markus Busch an. Schon während dieser Zeit interessierte sie sich besonders für die Beziehung zwischen den Prozessparametern der Kunststoffherstellung und den daraus resultierenden Eigenschaften der hergestellten Materialien. Um diesen Zusammenhang zu entschlüsseln, verknüpft sie Experimente und Computersimulationen. „Nur so können wir die komplexen Prozesse der Polymerbildung verstehen“, erklärt sie. Modellrechnungen dienen ihr zudem als grünes Werkzeug, um die Zahl der Experimente und somit den Verbrauch an Chemikalien sowie Energie zu reduzieren.

Die Chemieindustrie ist energieintensiv, da ist noch Luft für Optimierung.

Unverzichtbar ist für Zentel auch der 3D-Druck, den sie als Post-Doktorandin an der Universität Hamburg für sich entdeckte: „Er ist für uns das ideale Tool für das Design neuartiger Reaktoren.“ Selbst entworfene Reaktoren für Laborexperimente druckt ihr Team in einem Stück aus transparentem Kunststoff. Während ihrer Postdoc-Stelle in Hamburg von Oktober 2018 bis Mai 2021 übernahm Zentel zudem eine Vertretungsdozentur. So war sie schon in einem frühen Stadium ihrer Laufbahn in die Lehre eingebunden. An der TU bietet sie aktuell die von ihr konzipierte Vorlesung „Circular Economy und aktuelle Aspekte in der Polymerisationstechnik“ an.

Auslandserfahrung sammelte Zentel bereits während ihrer Doktorarbeit. Von September bis Dezember 2017 beschäftigte sie sich an der University of Stellenbosch in Südafrika vor allem mit der Analytik von Polymeren. Mit dem Preisgeld der Dr. Hans Messer Stiftung wird sie nun die Analytik-Ausstattung ihres eigenen Labors verbessern. Neben der Anschaffung einer Dosierpumpe plant sie den Kauf eines Lichtstreu-Geräts, mit dem sich während der Polymerisation das Wachstum und bestimmte Eigenschaften der kleinen Kunststoffteilchen beobachten lassen.

Zentel wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem für den besten Bachelor-Abschluss in Chemie und den besten Master-Abschluss in Technischer Chemie an der TU Darmstadt. Im vergangenen Jahr erhielt sie den Nachwuchswissenschaftler*innen-Preis der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur sowie im März 2023 den Professor-Siegfried-Peter-Preis der gleichnamigen Stiftung, der herausragende Leistungen in der Hochdruckverfahrenstechnik würdigt.