Schritt für Schritt zum nachhaltigen, ressourcenschonenden Labor

Interview mit Bianca Schell und Professor Nico Bruns

26.03.2024 von

Nico Bruns ist Professor für „Nachhaltige Funktionale Polymere“ an der TU Darmstadt. Er leitet zudem die „Initiative Nachhaltige Labore“ des Fachbereichs Chemie. Neben dem „Was geforscht wird“, ist ihm das „Wie geforscht wird“ besonders wichtig. Denn bis zu 70 Prozent des Energiebedarfs einer Universität entfallen auf die Labore. Auch Bianca Schell, Doktorandin im Team Bruns, beschäftigt sich mit dem Thema nachhaltiger Laboralltag. Die drei Hauptthemen ihrer Promotion: Energiesparen, Müll und Recycling sowie Nachhaltigkeitsinitiativen. Im Interview sprechen Schell und Bruns über die Initiative ihres Fachbereichs sowie die ersten LEAF-Zertifizierungen an der TU Darmstadt.

Bianca Schell und Professor Nico Bruns

Was ist das „Laboratory Efficiency Assessment Framework“, kurz LEAF?

Bianca Schell: LEAF ist ein Nachhaltigkeitsprogramm vor allem für Biologie- und Chemielabore. In verschiedenen Bereichen – Abfall, Mitarbeiter:innen, Management von Proben und Chemikalien, Geräte und Abluft – müssen jeweils um die 15 Kriterien erfüllt werden, um schrittweise zu einem nachhaltigeren Labor zu werden.

Professor Nico Bruns: Das LEAF-Programm setzt auf der Ebene der Arbeitsgruppen an. Wie animiere ich Arbeitskreise dazu, ihre Prozesse im Labor zu verändern und so zu gestalten, dass sie möglichst nachhaltig sind? Und das, ohne feste Regeln vorzugeben.

Schell: Je nachdem, wie viele Nachhaltigkeitsmaßnahmen die Arbeitsgruppe in ihrem Labor realisiert, erreicht sie entweder eine Bronze-, Silber- oder Gold-Zertifizierung. Da wir eine Institutslizenz haben, ist LEAF für die TU-Arbeitsgruppen kostenlos.

Gibt es Bereiche, die einfach zu verbessern sind? Und auch schwierige?

Bruns: Die Maßnahmen, die man in LEAF umsetzen muss, fangen bei einfachen Dingen wie dem Müllrecycling an. Im Labor steht beispielsweise nur ein Mülleimer unter dem Tisch. Eine Maßnahme wäre, zusätzlich eine Recyclingstation aufzustellen. Zudem sicherzustellen, dass das Reinigungspersonal die Behälter richtig leert. Ist ein Labor gut organisiert, hat man oft schon Dinge aus dem Alltag übertragen. Im Laboralltag geht das aber schnell unter.

Schell: Ein Recyclingsystem für normalen Verpackungsmüll wäre etwa Bronze. Hat eine Arbeitsgruppe mindestens eine Aktion ins Leben gerufen, um die Müllmengen im Labor wirklich zu verringern, wäre es schon Silber oder Gold. Etwa von Vollpipetten aus Plastik auf wiederverwendbare Glaspipetten umzustellen.

Bruns: Eine andere Kategorie sind die Belüftungsanlagen. Die technische Optimierung liegt nicht im Bereich einer Arbeitsgruppe, da braucht es das Energiemanagement. Was man machen kann, ist die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so auszubilden und zu trainieren, dass sie wissen, wie sie korrekt mit den Abzügen und der Abluftanlage umgehen. Die Abzüge sind nicht schwer zu bedienen. Aber wie sie benutzt werden, wirkt sich massiv auf den Energieverbrauch, damit auf die Kosten und natürlich den CO2-Fußabdruck aus.

Schell: Arbeitet man als Arbeitsgruppe mit dem Energiemanagement zusammen, lassen sich wahnsinnig große Mengen Energie einsparen. Wir haben in einem Gebäudeteil die Lüftung optimiert, indem sie in eine Nachtabsenkung geht. Pro Jahr sparen wir so 123 Megawattstunden, das sind Großbeträge. Langfristig wollen wir uns auch die Luftwechselraten anschauen. Also in welchen Laboren werden die aktuell eingestellten Raten benötigt und wo lassen sie sich herabsetzen. Denn die Belüftung eines Chemiegebäudes macht bis 50 Prozent der Energiekosten des Gebäudes aus.

Bruns: Beim Belüftungsmanagement und der Belüftungshandhabung geht LEAF Hand in Hand mit den anderen Bestrebungen, die im Rahmen der Energiekrise und im letzten Jahr umgesetzt wurden und weiter umgesetzt werden. Vom Impact her ist das der stärkste Hebel.

Beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit LEAF und bekommt eine Zertifizierung, bringt das zudem Vorteile bei Forschungsanträgen mit sich. Denn die Forschungsförderer haben das Thema nachhaltige Labore mittlerweile auch aufgegriffen. Sowohl bei den Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen der EU als auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft muss man nachweisen, wie man das Thema angeht.

Und wie werden die Arbeitsgruppen bei LEAF kontrolliert?

Schell: Ein Vorteil von LEAF gegenüber anderen größeren Programmen ist, dass die Arbeitsgruppen sich gegenseitig auditieren. Wir haben im letzten Sommer sozusagen im Kreis auditiert und das wollen wir auch so beibehalten.

Bruns: Ein gut aufgestelltes Labor erfüllt bereits viele Kriterien für die Bronze-Zertifizierung. Die Idee von LEAF ist, dass das Programm mehrere Jahre läuft. Unsere Arbeitsgruppen, die letztes Jahr Silber bekamen, schaffen dieses Jahr vielleicht schon Gold. Dieser stufenweise Aufbau motiviert weiterzumachen und sich so kontinuierlich zu verbessern.

Hintergrund

Die „Initiative Nachhaltige Labore“ des Fachbereichs Chemie ist ein Zusammenschluss aus interessierten Studierenden, Wissenschaftlichen Mitarbeitenden, Professorinnen und Professoren sowie dem Büro für Nachhaltigkeit der TU Darmstadt. Die Initiative trifft sich alle ein bis zwei Monate digital, um sich darüber auszutauschen, wie sich insbesondere die Labore am Fachbereich Chemie nachhaltiger betreiben lassen. Jede und jeder ist willkommen, sich hierbei einzubringen! Das jeweils nächste Treffen kann bei erfragt werden.

Seit 2022 setzt die TU Darmstadt LEAF im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Verbundforschungsprojekts „Nachhaltige Labore – Verringerung der Umweltauswirkungen und Verbesserung der Nachhaltigkeit in Laboren deutscher Hochschulen (NachLabs)“ um.

Das Laboratory Efficiency Assessment Framework (LEAF) ist ein am University College London entwickeltes Assessment-Tool für nachhaltige Labore, das bereits in 16 Ländern umgesetzt wird. Es bietet ei. nen dreistufigen Bewertungsrahmen, durch den Arbeitskreise eine Bronze-, Silber- oder Gold-Akkreditierung erreichen können. LEAF ist mittlerweile eines der international größten Green-Lab-Zertifizierungsprogramme.